Jean Bernier

Jean Bernier

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Selige

Bildtext Foto: Association des amis de la Fondation de la Résistance

Kurzbiografie:

Jean Bernier wird am 24. Juni 1920 in Haironville  bei Verdun  geboren. Der Landwirt meldet sich im September 1938 beim 6. marokkanischen Schützenregiment in Verdun, gerät nach Kriegsbeginn in der Normandie in deutsche Gefangenschaft und kommt ins Lager Stalag VI G in Bonn. Er arbeitet zunächst bei der Reichsbahn und wird später Krankenpfleger. Gleich nach seiner Ankunft hilft er einem Pfadfinder, eine katholische Gruppe zu leiten, die Theater spielt, Orchestermusik macht und als Chor bei der Sonntagsmesse singt. Die Möglichkeit,  zwischen seinem eigenen und den benachbarten Kommandos hin und her zu reisen, eröffnet ihm Möglichkeiten der weiteren illegalen Betätigung. Als ein ebenfalls im Stalag gefangener Priester das Lager nicht mehr verlassen kann, trägt er sogar geweihte Hostien zu den Menschen, die der Pater zuvor betreut hatte. Weil ein anderer an seiner Stelle unterschreibt und Briefe verschickt, gelingt es ihm, eine umfangreiche geheime Korrespondenz nach Frankreich zu schmuggeln. Am 6. August 1944 wird Jean Bernier verhaftet und zunächst in Köln, später im nahegelegenen Brauweiler eingekerkert. 

Biografie von Klemens Hogen-Ostlender:

Jean Bernier wird am 24. Juni 1920 in dem kleinen ostfranzösischen Dorf Haironville geboren, rund 50 Kilometer südlich von Verdun. Sein Vater stammt aus dem nicht weit entfernten Bonzée-en-Woëvre und ist Buchhalter. Als der Sohn drei Jahre alt wird, zieht die Familie wieder nach Bonzée zurück. Nach dem Schulbesuch verdient Jean sein Brot in  der Landwirtschaft. Mit 18 Jahren tritt er er im September 1938  in Verdun als Unteroffiziersschüler in die französische Armee ein. Nach dem deutschen Angriff auf  Frankreich und Belgien kämpft der junge Soldat 1940 zunächst in den Gefechten an der Saar und später während des Rückzugs bis in die Normandie. Nach der Kapitulation gerät er in deutsche Kriegsgefangenschaft. So knapp schildern es die Quellen mit einer Ausnahme. Nach einem Dokument des Zentrums für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts der Pariser Universität Sorbonne verhielt es sich so:

General De Gaulle ist vor der Kapitulation nach London gegangen und hat von dort am 18. Juni die Franzosen aufgerufen, die Niederlage nicht zu akzeptieren. Sie sollen ebenfalls nach England zu kommen, um den Kampf fortzusetzen. Jean Bernier folgt als einer von rund 3000 Männern dem Appell und schlägt sich auf die Insel durch. Er beschließt aber bald, nach Frankreich zurückzukehren. In seinem Heimatland gerät er prompt in Gefangenschaft und Er kommt ins Mannschafts-Stammlager VI G in Bonn-Duisdorf, eins der größten deutschen Kriegsgefangenenlager. Es liegt auf der Hardthöhe, dem späteren Standort des Bundesverteidigungsministeriums. Dem Stalag VI G sind 53.000 Gefangene unterstellt. 7.000 leben im Lager selbst. Der Rest wird Kommandos in gesamten Rheinland zugewiesen. So ergeht es auch Bernier. Er kommt ins Kommando 624 an den Kölner Messehallen im rechtsrheinischen Deutz . Zum Komplex gehört unter anderem ein Außenlager des KZ Buchenwald. Auch ein prominenter deutscher Häftling wird dort im August 1944 vier Tage lang hinter Stacheldraht sitzen: der frühere Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer.

Jean Bernier muss bei der Deutschen Reichsbahn auf Kölner Bahnhöfen Hilfsdienste leisten. Im Lager lernt er gleich nach der Ankunft den katholischen Pfadfinder Raymond Louveaux kennen. Auch der Neuankömmling begeistert sich für die Pfadfinderidee und beteiligt sich dort von Anfang an an Pfadfinderaktivitäten.  Die Gruppe nennt sich „Notre-Dame de la Route“ (Unsere Liebe Frau von der Straße“. Sie organisiert Theaterproben, gründet einen Chor und pflegt das täglich Gebet.  Man bittet  die Deutschen um die die Genehmigung einer wöchentlichen Sonntagsmesse. Sie wird erlaubt und findet zunächst in der St.-Heribert-Kirche von Deutz statt, wo der örtliche Vikar aus diesem Anlass eine Predigt auf Französisch hält und die Generalabsolution erteilt, da Einzelbeichten der Gefangenen von den Deutschen verboten sind. Der Pfadfinderchor singt bei den Messen. Die Gruppe um Raymond Louveaux und Jean Bernier erreicht schließlich, dass am 5. Mai 1941 ein anderswo in Kriegsgefangenschaft befindlicher Priester ins Kommando 624 verlegt wird.

Pater Pierre Harignordoquy wird Seelsorger des Stamms. Jean Bernier legt am 6. September 1941 sein Pfadfinderversprechen ab. Am Tag zuvor hat er in seinen persönlichen Notizen geschrieben: „Mit diesem Versprechen möchte ich die wahre Pflicht eines Katholiken bewahren und immer mehr entdecken, bereit, in den Reihen derer zu dienen, die sich hingeben [...] Ich habe mich auf den Weg des Pfadfindertums begeben, um zu lernen, Gott besser zu lieben und ihm besser zu dienen. Er organisiert mit anderen Gefangenen des Pater  Harignordoquy  nun im Speisesaal des Lagers gefeiert. Außerdem schafft es Jean Bernier trotz der deutschen Zensur, alle zwei Wochen, einen Brief an die außerhalb des Lagers verstreuten Gruppen des Kommandos 624 einen Brief mit Ermutigungen und Anweisungen, die zu befolgen sind, zu schicken. Der Pfadfinderstamm gehört zur Action Catholique, der Katholischen Aktion, die der Soziallehre der Kirche verpflichtet ist und ist wie in in Friedenszeiten organisiert. Man versteht sich eher ein Mittel des Trostes als eine subversive Vereinigung.

Ab 1943 wird Jean Bernier als Krankenpfleger eingesetzt und kann ungehindert in der Umgebung des Lagers unterwegs sein. Am 10. Oktober 1943 berichtet er seiner Familie brieflich von einer entscheidenden Wendung in seinem Leben: „Ich habe die große Freude, euch mitzuteilen, dass der Herr mir den Segen gewährt hat, mich zu berufen“. Er hat sich entschlossen, Priester zu werden. Vor Freude schreibt er mit Blick auf drei Jahre Gefangenschaft weiter: „Das Leiden ist nie vergeblich, wenn man es im christlichen Sinn anzunehmen weiß. Der Herr tut uns dann den Gefallen, mit ihm zu leiden“. Jean Bernier bereitet sich ab sofort auf den Eintritt in ein Priesterseminar vor und schafft es, nach seinen erdrückenden Arbeitstagen nächtelang noch Latein zu lernen. Die Bücher dafür bekommt er aus Frankreich geschickt. Als Abbé  Harignordoquy 1944 das Lager nicht mehr verlassen darf, trägt der Pate seinem jungen Kameraden auf, geweihte Hostien zu den Franzosen außerhalb des Lagers zu bringen, die er bisher selbst betreut hatte. Jean Bernier verspricht überglücklich: „Und wenn alle Gestapomänner der Welt hinter mir her wären, ich werde diesen Auftrag bis zum Martyrium erfüllen, wenn es nötig ist“.

Als die Deutschen erfahren, dass die Kirche aus Frankreich auch illegale Seelsorger mit falschen Papieren als angebliche freiwillige Arbeiter nach Deutschland geschickt hat, erlässt der Chef des Reichssicherheitshauptamts Anfang Dezember 1943 eine Anordnung. Ernst Kaltenbrunner verbietet jegliche Aktionen der Action Catholique. Jean Bernier und seine Kameraden schaffen es, ihr Aktivitäten weitere acht Monate lang fortzusetzen. Am 6. August 1944 wird Jean aber dann doch im Zuge einer Großaktion der Gestapo gegen die  Laienbewegung festgenommen. Dasselbe Schicksal trifft René Boitier zwei Tage später. Über das Kölner Zentralgefängnis kommt Jean Bernier in die berüchtigte nahegelegene Gestapo-Haftanstalt Brauweiler. Folter gehört dort zu den üblichen Verhörmethoden. Jean Bernier wird der Gründung einer in Deutschland verbotenen Vereinigung und der Verletzung der Staatssicherheit beschuldigt. Am 17. September 1944 kommt er mit einem Transport, der vier Tage und vier Nächte unterwegs,  im  Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar an. Mit unzähligen anderen Häftlingen, von denen viele an Ruhr leiden, wird er mehr als 24 Stunden lang in einen viel zu kleinen Duschraum gesperrt, in dem es keine Betten gibt. Dann schickt die SS ihn weiter ins Außenlager Langensalza.

Dort muss er unter unmenschlichen Bedingungen für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Tragflächen sowohl für den Bomber  Ju 88 als auch für das Jagdflugzeug Focke-Wulf  190 zusammenbauen. Der Reichsjustizminister  hat für KZ-Häftlinge die Devise „Vernichtung durch Arbeit“ ausgegeben. Propagandaminister Joseph Goebbels merkte dazu an: „Wer an dieser Arbeit zugrunde geht, um den ist es nicht schade“. Die meisten Häftlinge tragen gestreifte, meist schlecht sitzende fadenscheinige Hosen und Jacken, die die SS spöttisch „Zebrakleidung“ nennt. Manche bekommen auch die so genannten „Fluchtanzüge“ mit einem auf dem Rücken zwischen den Schultern aufgemalten roten Farbpunkt  als Zielhilfe für Wachtposten. Einige müssen auch Sachen tragen, die getöteten Kameraden abgenommen wurden. An Weihnachten, nach mehr als zwei Monaten Tortur, schreibt Jean Bernier für die anderen Gefangenen, eine vom christlichen Geist geprägte Botschaft zum Geburtsfest Christi, die mit diesen Worten endet: „Unser Weg geht weiter. Es ist der schönste Weg, den es geben könnte, weil Christus bei uns ist“.

Bis Anfang April 1945 dauert seine die Leidenszeit in Langensalza. Dann nähern sich amerikanische Truppen der Gegend. Die SS treibt die  noch lebenden Häftlinge auf einem dreitägigen Todesmarsch nach Buchenwald. Von dort aus sollten zahllose ausgemergelte Gestalten vor den Amerikanern in „Sicherheit“ gebracht werden. Jean Bernier tritt mit 5008 Leidensgenossen eine chaotische Fahrt im „Todeszug aus Buchenwald“ an. Der hat eigentlich das KZ Flossenbürg als Ziel, wird über tschechisches Gebiet aber nach Dachau umgeleitet, weil die Amerikaner dem Lager in der Oberpfalz auch schon zu nahe kommen. Unterwegs bekommen die Häftlinge so gut wie keine Nahrung für die Häftlinge. Ruhr und andere Krankheiten breiteten sich rapide aus. Immer wider wird die Fahrt unterbrochen. Einmal steht der Zug im Schnee vier Tage und Nächte auf einem Bahnhof im tschechischen Gebirge. Die kranken und sterbenden Insassen sind in den zum Teil offenen Waggons schutzlos der  Witterung ausgesetzt.

Als der Transport nach drei Wochen Irrfahrt am 28. April 1945 in Dachau ankommt, leben gerade einmal noch noch 816 Menschen in den 54 Güterwagen. Der Rest ist verhungert, an Seuchen gestorben oder wurde von den SS-Wachen erschossen. Jean Bernier wird einen Tag nach der. Ankunft wurde er mit den anderen KZ-Häftlingen  von der US-Armee, die das KZ erreicht, befreit. Als er seinem priesterlichen Freund Pierre Harignordoquy die Hand drückt, seufzt Jean Bernier matt: „Danke, Gott, bald geht es nach Frankreich“. Aus dem überfüllten befreiten Konzentrationslager Dachau wird der 24jährige ins Krankenhaus von Emmendingen im Schwarzwald evakuiert, das die französische Armee als als Militärhospital übernommen hat. Die Ärzte und Krankenschwestern versuchen das unmöglich erscheinende. Fast täglich schreibt Jean Bernier zunächst seinen Eltern lange Briefe. „Durch ein Wunder der heiligen Jungfrau bin ich lebend aus dem Lager herausgekommen“, steht im ersten, in dem er auf die Zukunft gezogen auch bekräftigte „Gottes Wille geschehe“. Der Todkranke freut sich darauf, bald wieder nach Hause zu kommen, ist aber voller Tatendrang, so schnell wie möglich ins Priesterseminar zu gehen.

Als er zu schwach zum Briefeschreiben wird, übernehmen Krankenschwestern das für ihn. Für den ersten dieser Briefe diktierte er: „Ein Kamerad schreibt für mich, weil ich das im Liegen nicht kann, und ich muss ständig liegen“. Er berichtet von Magenschmerzen und fügt hinzu „aber der Art glaubt, dass es nichts Schlimmes ist“. Anfang Juni scheint  Jean Bernier jedoch zu spüren, das es mit ihm zu Ende ging. Er lässt eine Schwester an seine Mutter in das 200 Kilometer entfernte Bonzée schreiben: „Ich möchte dich um etwas bitten: Komm mich doch bitte besuchen“. Das ist leichter gesagt als getan. Es gibt kaum Autos und wenig Benzin. Mit Hilfe des Bürgermeisters von Bonzée organisiert die Familie jedoch einen Wagen. Jeans Eltern und seine beiden Schwestern schaffen es auch bis zur deutschen Grenze. Dort verweigern französische Posten ihnen aber kategorische die Weiterfahrt. Ein zufällig anwesender General rettet den Tag. Als er hört, dass die vier Insassen des Wagens einen sterbenden Soldaten besuchen wollen, stellt er kurzerhand alle nötigen Papiere aus. Das schmerzlich  letzte Wiedersehen kann stattfinden. Die Angehörigen müssen danach wieder heim und ahnten, dass sie ihren Sohn und Bruder nie wiedersehen werden.

Wenige Tage später bekamen sie einen Brief der Krankenschwester, die Jean Berners  Todesstunde bei ihm  war. Abends am 11. Juni hat er nach einem mühsamen Tag Atemprobleme bekommen. Die Schwester spricht mit ihm gemeinsam Gebete, bis ihr Patient das Bewusstsein verliert. Kurz darauf stirbt er am 12. Juli 1945 gegen halb drei Uhr morgens. Um die Seligsprechung ihres Pfadfinderkameraden hat sich seit 1990 das Comité fidelité Jean Bernier, das Treuekomitee Jean Bernier, gekümmert. Unter das letzte Bild des Kameraden, das ihn stark abgemagert im Krankenbett zeigt, schreiben die Freunde: „Jean sagte gerne ,ein Pfadfinder, der nicht zu sterben weiß, taugt zu nichts´. Jean war in der ganzen Einfachheit seines Herzens zum höchsten Opfer gelangt. Er wusste zu sterben, wie er zu leben wusste während der letzten fünf Jahre, als erhabener Held“.

Pater Pierre Harignordoquy übersteht Krieg und Konzentrationslager und schreibt am 14. Juli 1945 an die überlebenden Pfadfinder des Stamms Notre-Dame de la Route über Jean Bernier: „Der liebe Gott stellt uns auf eine harte Probe, aber ist das nicht eine Ehre für die Gruppe? […] Jean gehörte zu diesen jungen Menschen mit klarem, aufrichtigem und leidenschaftlichem Blick und einem Herzen, das sich hingeben wollte, die unserem Jahrhundert der Willensschwäche, Feigheit und Selbstsucht so sehr gefehlt haben. Von dem Moment an, als er die Anforderungen Gottes an ihn erkannte, zögerte er nicht. Er antwortete „Hier bin ich”, voll und ganz, ohne Zurückhaltung und ohne Umkehr. […] Ja, wir können stolz auf unseren Jean sein: Nach einem Leben voller strahlendem Apostolat starb er als Märtyrer. Ich bin sicher, dass Gott seine außergewöhnliche Großzügigkeit würdig gekrönt hat“.

 

 

 

 

 

 

Verein Selige Märtyrer von Dachau e. V.

 



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